DMER (Dysphorischer Milchspendereflex) – Wenn Stillen belastend wird.
Stillen wird oft als inniger Moment zwischen Mutter und Kind beschrieben – eine Zeit der Nähe, Wärme und Geborgenheit. Doch nicht alle Mütter erleben diese Phase als ausschließlich positiv. Manche Frauen verspüren während des Milchspendereflexes plötzlich ein starkes Gefühl von Traurigkeit, Angst oder Reizbarkeit. Dieses Phänomen wird als Dysphorischer Milchspendereflex (DMER) bezeichnet und ist eine wenig bekannte, aber real existierende Herausforderung für viele stillende Mütter.
Was ist DMER?
DMER ist eine hormonell bedingte emotionale Reaktion, die wenige Sekunden bis Minuten vor und während des Milchspendereflexes auftritt. Betroffene Mütter berichten von einem plötzlichen Gefühl der Leere, Hoffnungslosigkeit oder Unruhe. Im Gegensatz zu einer postpartalen Depression oder einer generellen Stillaversion tritt DMER ausschließlich während des Milchspendereflexes auf und klingt danach wieder ab.
Ursachen von DMER:
DMER ist keine psychische Erkrankung, sondern wird durch eine Fehlregulation des Dopaminspiegels im Körper ausgelöst. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der unter anderem für die Steuerung von Emotionen zuständig ist. Während des Milchspendereflexes sinkt der Dopaminspiegel natürlicherweise ab, um die Freisetzung von Oxytocin – dem "Liebeshormon" – zu ermöglichen. Bei Frauen mit DMER scheint dieser Dopaminabfall jedoch zu abrupt oder zu stark zu sein, was die unangenehmen Gefühle auslöst.
Zusammenspiel zwischen Oxytocin und Dopamin:
Oxytocin ist das Hormon, das den Milchspendereflex auslöst. Es sorgt dafür, dass die Milch aus den Drüsen in die Milchgänge gepresst wird. Gleichzeitig beeinflusst Oxytocin das Belohnungssystem des Gehirns und fördert positive Emotionen und Bindung. Damit Oxytocin jedoch freigesetzt werden kann, muss der Dopaminspiegel kurzfristig absinken.
Bei Frauen mit DMER geschieht dieser Dopaminabfall zu schnell oder zu intensiv, wodurch statt positiver Gefühle plötzliche negative Emotionen entstehen. Normalerweise pendelt sich der Dopaminspiegel nach dem Milchspendereflex wieder ein, weshalb die Symptome von DMER nur kurz anhalten. Dennoch kann dieser Mechanismus für betroffene Mütter sehr belastend sein.
Typische Symptome:
Mütter mit DMER berichten über unterschiedliche Emotionen, die meist einige Sekunden bis Minuten anhalten:
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Plötzliche Traurigkeit oder Melancholie
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Gefühle von Angst, Panik oder Unruhe
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Reizbarkeit oder Aggression
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Gefühl der Hoffnungslosigkeit oder Leere
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Körperliches Unwohlsein, ohne körperliche Ursache
Diese Symptome treten nur während des Milchspendereflexes auf und sind nicht mit einer generellen Unzufriedenheit oder Stillaversion zu verwechseln.
Abgrenzung zu anderen Stillproblemen:
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Postpartale Depression (PPD): Während eine postpartale Depression über längere Zeit besteht und verschiedene Aspekte des Alltags beeinflusst, tritt DMER nur während des Milchspendereflexes auf und klingt danach vollständig ab.
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Stillaversion: Manche Mütter empfinden generelles Unwohlsein beim Stillen, das sich über die gesamte Stillzeit erstreckt, nicht nur während des Milchspendereflexes.
Umgang mit DMER – Was hilft?
DMER kann für betroffene Mütter sehr belastend sein, aber es gibt Möglichkeiten, besser damit umzugehen:
1. Bewusstsein und Akzeptanz
Ein erster wichtiger Schritt ist das Wissen über DMER. Viele Mütter fühlen sich durch die plötzlichen Emotionen verunsichert oder schuldig. Zu erkennen, dass DMER eine hormonelle Reaktion ist und nicht auf ein persönliches Versagen hinweist, kann bereits entlastend sein.
2. Stressmanagement & Entspannungstechniken
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Atemübungen oder Meditation vor dem Stillen
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Sanfte Bewegung oder Spaziergänge
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Angenehme Ablenkung während des Stillens (z. B. Musik hören, Podcasts, Lesen)
3. Ernährung und Lebensstil anpassen
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Dopamin-stabilisierende Nahrungsmittel (proteinreiche Kost, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium)
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Vermeidung von starkem Koffein- und Zuckerkonsum, um Blutzuckerschwankungen zu vermeiden
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Ausreichend Schlaf und Erholung, soweit es im Babyalltag möglich ist
4. Dopamin-Niveau gezielt fördern
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Regelmäßige Bewegung, Sonnenlicht und Zeit in der Natur
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Aktivitäten, die Freude bereiten (z. B. Musik, kreatives Arbeiten)
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Soziale Unterstützung und Austausch mit anderen Müttern
5. Anpassung der Stilltechniken
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Häufigere, aber kürzere Stillmahlzeiten können den Reflex sanfter auslösen
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Alternativ kann während des Stillens eine bewusste Ablenkung eingeplant werden
Wann professionelle Hilfe ratsam ist:
Wenn DMER zu einer starken Belastung im Alltag wird oder das Stillen dadurch negativ beeinflusst wird, kann es hilfreich sein, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Eine Stillberaterin, Hebamme oder ein Arzt kann individuelle Lösungen erarbeiten und gegebenenfalls weitere Maßnahmen empfehlen. In seltenen Fällen kann eine medizinische Unterstützung durch dopaminerge Medikamente (z. B. Bupropion) in Betracht gezogen werden.
Fazit:
DMER ist ein wenig bekanntes, aber real existierendes Phänomen, das viele stillende Mütter betrifft. Es ist wichtig, dieses Thema zu enttabuisieren und betroffenen Frauen Unterstützung anzubieten. Durch Wissen, bewusste Anpassungen im Alltag und gegebenenfalls professionelle Hilfe lässt sich der Umgang mit DMER verbessern. Mütter sollten wissen: Sie sind nicht allein – und es gibt Wege, mit DMER umzugehen!